Professionalisierung
Lehrerfortbildung – quo vadis?
In welche Richtung die Lehrerfortbildung in Zukunft gehen wird – und warum es dabei mehr um Qualität als um Quantität gehen soll: Ivan Stuppner vom Referat Kindergarten- und Schulentwicklung der Pädagogischen Abteilung hat sich mit drei Erhebungen zu diesen Fragestellungen befasst.
Nicht erst seit den 6. Rechtenthaler Gesprächen von 2011 mit dem Titel „Die Fortbildung als Instrument der Personalentwicklung“[1] wissen wir, dass Fortbildung für Lehrpersonen genauso wie bei anderen Berufsgruppen wesentlich für Professionalisierung und Weiterentwicklung sind. John Hatties Metastudie und dessen Versuch, das Lernen sichtbar zu machen, schlagen in dieselbe Kerbe. Die Studie misst der Lehrpersonenfort- und -weiterbildung eine Effektstärke von 0,41[2] zu.
Drei Erhebungen zum Thema
Die Corona-Pandemie hat die Grundfeste der klassischen Fortbildung erschüttert.[3] Und das betrifft nicht ausschließlich das Format der Fortbildungen, sondern ebenfalls die vermittelten Haltungen, den Inhalt und die Zielgruppen derselben. Viele Veranstaltungen mussten aufgrund des Lockdowns ab März 2020 abgesagt oder unmittelbar in Online-Angebote umgewandelt werden. Die Bedürfnisse der Lehrpersonen, was Fortbildung angeht, haben sich teilweise stark verändert, vor allem in Sachen Digitalisierung. Und last but not least richtete sich der Fokus in diesem Kontext immer stärker in Richtung neuer, unkomplizierter Alternativen zu den herkömmlichen Fortbildungsangeboten.[4]
Anhand von drei Erhebungen, die im Jahr 2021 durchgeführt wurden, können einige Rahmenaspekte thematisiert werden, die einen möglichen, zukunftsträchtigen Weg der Fortbildung für Lehrpersonen in Südtirol markieren.
Die erste Erhebung wurde von der Kerngruppe Philosophie im März 2021 durchgeführt.[5] In den Antworten zu den Fragen wird größtenteils klar: Viele wünschen sich, dass es bei den Philosophiefortbildungen keine große Veränderung geben soll: Bevorzugt werden die üblichen zwei Fortbildungen pro Jahr,die Präferenzen bei den Arbeitsformen liegen beim Inputreferat und schriftlichen Unterlagen. Als Fortbildungsort wird Bozen bevorzugt, gefolgt von dem Wunsch, Fortbildungen online durchzuführen. Als Hindernisse beim Besuch der Fortbildungsveranstaltungen werden der Zeitraum, der Ort und der persönliche Stundenplan am häufigsten genannt. In vielen Einschätzungen zeigt sich aber auch, dass die Philosophielehrpersonen eine sehr heterogene Gruppe sind, die sich zum Beispiel gleichermaßen für inhaltliche, methodisch-didaktische und interdisziplinäre Themen interessiert oder auch bei den Wochentagen keine speziellen Präferenzen hat. In Summe ist der Wunsch vorhanden, zu den herkömmlichen Formen der Fortbildungen zurückzukehren, andererseits ist nicht ganz eindeutig, wie dies zu erfolgen habe.
Eine weitere Erhebung wurde intern an der Pädagogischen Abteilung im April 2021 durchgeführt. wo es vor allem um den Besuch von Webinaren ging.[6] Das interessante Ergebnis: Webinare sollten zwischen zwei und drei Stunden dauern, sie sollten tendenziell am häufigsten für Inputphasen genutzt werden, die Inhalte sollten sich in erster Linie auf den Zuwachs von Wissen konzentrieren. Nach den Stärken von Online-Fortbildungen gefragt, waren die Einschätzungen der Teilnehmenden sehr vielseitig: Online-Fortbildungen öffnen neue Zugänge zum Thema, ermöglichen den Einsatz verschiedener Medien, dienen der Vernetzung. Dies und viele andere Aspekte wurden ähnlich hoch eingeschätzt. Auch wurde das Bewusstsein zum Ausdruck gebracht, dass der Erfolg einer Online-Fortbildung ähnlich wie bei klassischen Fortbildungen mit den Fähigkeiten der Referierenden zusammenhängt. In Summe kann auf der Grundlage dieser Antworten festgestellt werden, dass Online-Fortbildungen inzwischen eine gewisse Wertschätzung erfahren, sich jedoch nur für bestimmte Settings und Ziele eignen.
Die dritte Erhebung, dieses Mal zum Ist-Stand beim Lernen mit digitalen Medien, wurde an den zwölf beteiligten Schulen im Rahmen der Schulbegleitung zum Lernen mit digitalen Medien im Herbst 2021 durchgeführt.[7] In dieser Bestandsaufnahme war es den Organisatorinnen und Organisatoren der Befragungen wichtig nachzufragen, welche Quellen der Professionalisierung die Lehrpersonen in den letzten eineinhalb Jahren besonders genutzt haben und was sie sich diesbezüglich für die Zukunft wünschen. Wenn es um den Rückblick auf die Vergangenheit geht, so zeichnete sich in den Einschätzungen der Befragten ein klares Bild ab: An erster Stelle stand in den Rückmeldungen das Selbststudium (81 Prozent), dann Tutorials (54 Prozent) und schließlich die Fortbildung in Präsenz (43 Prozent). Beim Blick in Richtung Zukunft haben sich die Lehrpersonen in erster Linie kompetente Ansprechpersonen, einen Austausch von digitalen Unterrichtsmaterialien und eine personalisierte Fortbildung gewünscht. In beiden Fragestellungen ist der Faktor der Fortbildungen vorgekommen, wenngleich nicht an der ersten Stelle. Es lässt sich ableiten, dass bei beiden Antworten der persönliche Bezug zum Tragen kommt, das heißt eine passgenaue Ausrichtung der Professionalisierung auf die persönlichen Bedürfnisse.
Fazit
Alle drei Befragungen versuchen sich mit den geänderten Vorzeichen der Fortbildung auseinanderzusetzen und fördern einige interessante Aspekte zutage, die zum Nachdenken anregen können. Inzwischen ist an der Pädagogischen Abteilung bereits einiges in puncto Schärfung und Konkretisierung der Fortbildungsangebote unternommen worden. Nicht zuletzt der „Orientierungsrahmen für die Fortbildungsplanung im schulischen Bereich“ (11. November 2021) zeugt davon, dass Lehrerfortbildung in Zukunft neu zu denken ist. Auch die Losung „Mehr Qualität anstelle von Quantität“[8] kann in diese Richtung verstanden werden. Eine breite Palette an Fortbildungsangeboten wird inzwischen bereits als Webinare angeboten, und in den #-Teams in einzelnen Fachbereichen sind konstruktive Möglichkeiten entstanden, noch schneller auf die Bedürfnisse der Schulwelt zu reagieren. Eines wird sich aber auch weiterhin nicht ändern dürfen: Die Fortbildung ist und bleibt ein wesentlicher Faktor der Professionalisierung der Lehrenden.
Ivan Stuppner
Pädagogische Abteilung
[1] Siehe dazu: https://www.provinz.bz.it/bildung-sprache/didaktik-beratung/rechtenthaler-gespraeche.asp (19.12.2021).
[2] Siehe dazu z. B.: https://web.fhnw.ch/plattformen/hattie-wiki/begriffe/Lehrerfort-_und_-weiterbildung (19.12.2021).
[3] Ob die Pandemie alleinige Antreiberin der Transformationen in der Südtiroler Lehrerfortbildung ist, kann nicht eindeutig geklärt werden. Die Einführung eines neuen Anmeldesystems (SAP SuccessFactors), das Einstellen des Druckes der Fortbildungsbroschüre mit dem Schuljahr 2019/2020 und andere Maßnahmen haben sicherlich in kleinerem oder größerem Ausmaß einen Einfluss auf die Änderungen gehabt.
[4] Der Fortbildungsmarkt der Bildungswelt wird inzwischen nicht mehr ausschließlich von den Lehrerverbänden ASM und KSL sowie der Bildungsdirektion bedient. Es sind neue Player bedeutsam geworden: Besonders große Unternehmen wie Microsoft und Alphabet drängen aus ökonomischen Gründen stark in den Fortbildungsmarkt im Bildungssektor, aber auch kleinere Unternehmen wie etwa die Plattform FOBIZZ (https://fobizz.com) oder Studypoint Teacher (https://studypoint-teacher.de/) machen sich durch attraktive, spannende und personalisierbare Angebote für Lehrpersonen bemerkbar. Zu diesen teilweise kostenpflichtigen Angeboten gesellen sich Tutorials, Videonuggets usw., die jederzeit über YouTube und andere Videoplattformen abrufbar sind.
[5] Im Zeitraum vom 1.03.2021 bis 15.03.2021 wurden alle Philosophielehrpersonen der beiden Wettbewerbsklassen A-18 und A-19 der deutschsprachigen Oberschulen eingeladen, ihre Einschätzungen zur Zukunft der Fortbildungsveranstaltungen für das eigene Fach einzubringen. Von 92 eingeladenen Lehrpersonen haben 52 den Fragebogen vollständig ausgefüllt.
[6] Im Zeitraum vom 6.04. bis zum 17.04.2021 wurden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pädagogischen Abteilung mit Fokus auf die Webinare befragt. Insgesamt haben sich 91 Personen an der Befragung beteiligt, wobei 80 Fragebögen vollständig ausgefüllt wurden. Die Teilnehmenden konnten als Referent/in, Kursleiter/in und/oder Teilnehmer/in an Webinaren den Fragebogen ausfüllen.
[7] Im Herbst 2021 wurde der gleiche Fragebogen an allen beteiligten Schulen eingesetzt. Insgesamt haben dabei 851 Lehrpersonen aus den verschiedenen Schulstufen Einschätzungen vorgenommen und 682 von diesen haben den Fragebogen vollständig ausgefüllt.
[8] Die Orientierung bei beiden Ausgangspunkten richtet sich stark an den zehn Thesen von Frank Lipowsky und Daniela Rzejak aus, welche diese 2021 für die Bertelsmann Stiftung entwickelt haben. Lipowsky, Frank und Rzejak, Daniela: Fortbildungen für Lehrpersonen wirksam gestalten. Ein praxisorientierter und forschungsgestützter Leitfaden. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung. 2021, S. 13.