Mathematik mit Würfeln erfinden

Donnerstag, 24.10.2024

Die Welt ist voller Mathematik, und Kinder entdecken sie, in dem sie forschen, planen, ausprobieren und ihre Erfahrungen darüber teilen. Dabei entstehen oft neue Ideen und manchmal sogar kleine Erfindungen. Pädagogische Fachkräfte wissen aus ihrer Praxis, wie wichtig es ist, die richtigen Fragen zu stellen, um den Kindern den Zugang zur Mathematik zu erleichtern. Ein Beitrag von Kindergärtnerin Jutta Kröss.

Die Mathematik wird, ausgehend von den Fragen und Alltagserfahrungen der Kinder, aus der Kinderperspektive aufgebaut: Die Kinder erleben und erfahren mathematische Zusammenhänge und Strukturen mit allen Sinnen und handelnd. So auch in ihrer konkreten Alltagswelt. Eine vielfältige und sinnliche Lernumgebung bietet den Kindern Gelegenheiten sich aktiv mit mathematischen Phänomenen auseinanderzusetzen. Genau hier lernen die Kinder den scheinbaren Gegensatz zwischen kindlicher Vorstellungswelt und abstrakter Mathematik zu überwinden.

Die pädagogische Kompetenz der Fachkraft ist besonders gefragt. Das Fachwissen darüber, wie kindliche Entwicklungsprozesse ablaufen und wie sie am besten begleitet werden können, spielt eine wichtige Rolle. Das Wissen darum, wie sich mathematisches Denken bei Kindern entwickelt, ist eine unerlässliche Voraussetzung, um die Kinder sinnvoll begleiten zu können.

Kinder brauchen Interaktionspartner, die mit ihnen in Beziehung treten. Dabei geht es nicht darum, dem Kind Mathematik zu „erklären“. Kinder entdecken Mathematik in einem ko- konstruktiven Austausch mit Erwachsenen und anderen Kindern. Sie bringen aktiv eigene Interessen, Hypothesen und Lösungsvorschläge ein, ebenso wie die Erwachsenen den Bildungsprozess mitgestalten.

Aufgrund meiner Erfahrungen und Erkenntnisse im Bereich Mathematik mit den Mädchen und Jungen bot ich regelmäßig sogenannte Erfinderrunden an. In diesen Runden haben sich Kinder in einer Kleingruppe über einen längeren Zeitraum mit einer großen Menge eines bestimmten mathematischen Materials beschäftigt. Sie tüftelten an ihrem Plan, den wir pädagogischen Fachkräfte zu erfragen versuchten. Sie experimentierten mit ihren Sinnen, erprobten das Material durch Handeln und versuchten, mit ihren eigenen Worten ihren inneren Plan ihren Interaktionspartnern zu beschreiben und zu erklären.

Wie eine solche Erfinderrunde funktioniert, würde ich gerne an einem konkreten Beispiel erläutern, und zwar anhand einer real stattgefundenen und aufgezeichneten Interaktion mit Peter, einem fünfjährigen Kind (Name von der Redaktion geändert).

„Nein, da steht doch 13… 1 und 3 ist 13
Das Kind hatte einen Plan, den ich als pädagogische Fachkraft zu erfragen versuchte.
„Auf diese Idee bin ich nicht gekommen! Jetzt zeigt das Würfelbild nicht mehr die Menge an, sondern gibt die Ziffer der Zahl vor. Oder?“

Peter: „Ich habe heute mal gerechnet mit dem Würfel.“

Jutta Kröss: „Oh, ich sehe, du hast die Würfel immer wieder verschieden angeordnet. Wie hast du mit den Würfeln gerechnet? Zeigst du mir das nochmal?“

Peter: „Ja, kann ich machen…  Da 1 und 1 ist 2, 2 und 1 ist 3, 3 und 1 ist 4, 4 und 1 ist 5, 5 und 1 ist 6, 6 und 1 ist 7, 7 und 1 ist 8, 8 und 1 ist 9, 9 und 1 ist 10, 10 und 1 ist 11, …

Jutta Kröss: „Du hast immer eins dazu genommen. Also immer eins mehr. Du kannst wirklich gut rechnen! Bist du dir sicher, dass 12 und 1 die 4 ergibt? Das steht nämlich hier.

Peter: „Nein, das ist doch 13. Wo steht das?“

Jutta Kröss: „Ja, hier!… (ich zeige das Würfelbild 6 und 6 und 1 mehr ist Würfelbild 1 und 3).“

Peter: „Nein, da steht doch 13. 1 und 3 ist 13!

Jutta Kröss: „Ah ja, das stimmt. Auf diese Idee bin ich nicht gekommen. Jetzt zeigt das Würfelbild nicht mehr die Menge an, sondern gibt die Ziffern der Zahl vor. Oder?“

Peter: „Ja, sonst brauche ich ja viel zu viele Würfel bald… Das mag ich nicht und ich habe auch keinen Platz. So ist alles klein und ich kann gut rechnen und aufschreiben, was stimmt.“

Jutta Kröss: „Das ist dir echt gut gelungen. War etwas schwierig für dich?“

Peter: „Nein schwierig nicht. Aber mit diesen Würfeln kann man nur bis 19 rechnen. Das ist nicht gut.“

Jutta Kröss: „Warum kannst du mit diesen Würfeln nur bis 19 rechnen? Da gibt es jede Menge Würfel! Ich glaube, es sind sicher mehr als 19 Würfel hier, oder?“

Peter: „Ja, Würfel sind viele da, vielleicht 100 oder mehr sogar. Aber kein Würfel von diesen hat eine Null. Also kann ich nur bis 19 rechnen, weil 19 und 1 mehr, 20 ist und ich habe keinen Nuller-Würfel.“

Jutta Kröss: „Das hast du gut erkannt. Es gibt keine Null auf dem Würfelbild – und so kannst du 20 nicht  mit dem Würfelbild schreiben. Jetzt habe auch ich es verstanden. Und weil du auch nicht mit ganz vielen Würfeln legen willst, hörst du bei 19 auf zu rechnen… Ja, mit den Würfeln kannst du nicht weiter als bis 19 rechnen! Möchtest du mit einem anderen Material rechnen? Vielleicht mit den Blättchen?“

Peter: „Ja, aber erst morgen wieder.“

Pädagogische Fachkräfte, die forschende Kinder begleiten, müssen das eigene Denken der Kinder zu schätzen wissen. Sich darauf einzulassen, ist eine Bereicherung für die Kinder und für sie selbst.

Literatur

  • Benz, C., Peter- Koop, A., Grüssing, M. (2014). Frühe mathematische Bildung. Mathematiklernen der Drei- bis Achtjährigen.
  • Koch, K., Schulz, A., Jungmann T. (2020). Überall steckt Mathe drin. Alltagsintegrierte Förderung mathematischer Kompetenzen für 3- bis 6- jährige Kinder. Reinhaldt Verlag München.
  • Rahmenrichtlinien für den Kindergarten in Südtirol. Autonome Provinz Bozen- Südtirol
  • Streit, C. (2022). Mathe lernen in KiTa und Grundschule. Spielerisch und materialbasiert. Verlag Kohlhammer
Kröss Jutta, Kindergärtnerin im Kindergartensprengel Bozen

Großer Erfolg für Nathan Chizzali  

Donnerstag, 9.10.2025

Aus einem Feld von 15.000 Talenten schaffte es Nathan Chizzali (5ia, TFO „Max Valier“, Bozen) ins Finale der Nationalen Informatik-Olympiade 2025 in Udine. Nach starkem Wettbewerb verfehlte er knapp eine Medaille und wurde mit einer „Menzione d’Onore“ geehrt. 

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Führen ohne Macht  

Mittwoch, 8.10.2025

Die Organisationsberaterin Michaela Sburny begleitet seit Jahren Schuldirektorinnen und Schuldirektoren sowie solche, die es werden wollen. In Schloss Rechtenthal in Tramin leitet sie ein Fortbildungsmodul zu Personalführung und -entwicklung – über Motivation, Rollenbilder und die Kunst des Führens ohne Macht. 

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Lernwelten

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    Als in den 1970er-Jahren die ersten handlichen Taschenrechner auf den Markt kamen, entbrannte eine heftige Debatte: Fördert er das Lernen – oder führt er zum Verlust grundlegender Kompetenzen? Eine Diskussion, die durchaus Ähnlichkeiten zur aktuellen Debatte über KI, Digitalisierung und E-Learning im Unterricht hat. 
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