„Glück“ im Mittelpunkt
Empathie, Resilienz und Selbstbewusstsein: Mit speziellen Unterrichtseinheiten zum Thema „Glück“ bringt Ilona Tröger, Lehrerin an der Grundschule in Welsberg, eine besondere Perspektive in den Schulalltag. Im Interview spricht sie über die Motivation hinter dem Projekt, die Gestaltung der Unterrichtseinheiten und darüber, wie Kinder lernen, achtsam mit sich und anderen umzugehen.
Was war die Motivation, das Projekt Glück in den Unterricht zu integrieren?
Auf der Suche nach Möglichkeiten zur Stärkung der kindlichen Resilienz wurde ich auf die Schriften des Pädagogen Ernst Fritz-Schubert aufmerksam, der 2007 an der Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg das Schulfach Glück einführte. Ich erhielt durch seine Erkenntnisse und Perspektiven den Impuls, verstärkt in diese Richtung zu arbeiten. Nach Absprache mit der Schulführungskraft Manfred Steiner, konnte ich das Projekt dann in meiner Klasse implementieren.
Welche konkreten Fähigkeiten und Werte möchten Sie den Schülerinnen und Schülern damit vermitteln?
Schule soll Kinder nicht nur unterrichten, sondern sie vor allem aufrichten. Dies sehe ich als wichtige Aufgabe von Erziehung und Bildung. Im Fokus steht dabei, die Schüler und Schülerinnen dazu zu befähigen, einen achtsamen Umgang mit sich selbst zu entwickeln und gelingende zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen. Empathie, Selbstbewusstsein, Resilienz sowie die Förderung positiver Denkmuster sind ebenso entscheidende Aspekte, um ein erfülltes und zufriedenes Leben zu führen. Und genau dies stellt das Kernziel des Projekts „Glück“ dar.
Wie gestalten Sie diese Projekteinheiten, um den Kindern zu helfen, ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse besser zu verstehen?
In unserem Unterricht führen wir Diskurse, hinterfragen, setzen uns mit lebensnahen Themen auseinander. Darüber hinaus realisieren wir Projekte, die Teamarbeit erfordern, um den Kindern die Vorteile einer starken Gemeinschaft näher zu bringen. Mehrmals im Schuljahr wird in diesem Rahmen ein Projekt zu einem spezifischen Thema durchgeführt. Zu den Projektinhalten zählen unter anderem gemeinsames Kochen, das Erlernen von Benimmregeln nach Knigge, die Entwicklung geeigneter Spiele für Menschen mit Beeinträchtigung, die gemeinsame Übernachtung außerhalb des Hauses sowie die Darstellung und Präsentation der Kinderrechte sowie Toleranz und Vielfalt.
Welche Übungen können helfen, damit Kinder besser mit Stress und negativen Gefühlen umgehen?
Wenn die Kinder ein Problem formulieren, wird der Fokus sofort auf die Lösungsfindung gerichtet. Dabei wird versucht, die Ursache durch das Einnehmen verschiedener Perspektiven zu ergründen, während die Schuldfrage – zum Beispiel bei zwischenmenschlichen Konflikten in den Hintergrund rückt. Das Motto lautet: Empathie statt Fingerzeig!.
Inwiefern unterscheiden sich diese Projekteinheiten von traditionellen Fächern wie Mathematik oder Geschichte? Welches Feedback erhalten Sie von den Schülerinnen und Schülern?
Die Problemlösung wird weniger durch vorgegebene Lösungsmodelle vermittelt, als vielmehr durch die eigene Kreativität. Dadurch steigert sich das Selbstbewusstsein der Kinder, Selbstwirksamkeit kommt zum Tragen. Die Kinder sind begeistert und erfahren, wie es sich anfühlt, abseits vorgegebener Wege, über sich selbst hinauszuwachsen.
Wie fördern Sie im Unterricht soziale Kompetenzen wie Empathie und Teamarbeit? Haben Sie ein Beispiel für eine Übung oder ein Projekt, das besonders gut funktioniert hat?
Dies erfolgt zum Beispiel durch die Auswahl eines sogenannten sensiblen Themas für ein Projekt. Besonders gut konnte Empathie und Teamarbeit im Projekt „Inklusion“ gefördert werden. Ziel des Projekts war es, Begegnungen zwischen den Kindern unserer Klasse und Menschen mit Beeinträchtigung zu ermöglichen, um etwaige Berührungsängste abzubauen. Die Kinder erkundigten sich zuerst bei der zuständigen Stelle in der Werkstatt Biedenegg in Toblach über die Fähigkeiten der Bewohnerinnen und Bewohner. Daraufhin überlegten sie, welche Spiele für die Gruppe geeignet wären. In Teams wurden Pläne und Materiallisten erstellt sowie die Spiele ausgearbeitet. Der Höhepunkt war das Zusammentreffen mit den Bewohnern in Biedenegg und das gemeinsame Erlebnis beim Spielen.
Wie stellen Sie sicher, dass das Projekt auch in einen bereits vollen Lehrplan integriert werden kann, ohne andere Fächer zu vernachlässigen?
Die Umsetzung von „Glück“ erweist sich als realisierbar, da die „Gesellschaftliche Bildung“ bereits einige Kompetenzen definiert hat, die es zu erreichen gilt. Die Elemente sind also schon vorhanden und sie müssen lediglich geschickt kombiniert, aufgeteilt und verknüpft werden. Indem die Teammitglieder für diese Aspekte sensibilisiert werden, kann dieses Projekt auch fächerübergreifend umgesetzt werden. Dies erfordert eine gute Zusammenarbeit und bringt einen deutlichen Mehrwert für alle Beteiligten.
Welche Herausforderungen gab es bei der Einführung des Projektes? Gab es Vorbehalte?
Selbstverständlich gab es Vorbehalte. Diese konnten jedoch durch die Unterstützung der Schulführungskraft und die Konkretisierung entschärft werden. Wobei festzuhalten ist, dass „Glück“ bei uns in Welsberg bislang lediglich in einer Klasse implementiert ist. Die Eltern zeigten sich von Beginn an einverstanden mit dem Projekt, erkannten rasch dessen Mehrwert – und die Kinder sind bei entsprechender Vorbereitung der Inhalte und der Herangehensweise sehr begeisterungsfähig.
Wie sehen Sie die Zukunft dieses Projekts? Könnte es ein Modell für andere Schulen sein, und was wären die nächsten Schritte, um es weiterzuentwickeln?
Viele Themen, die das Projekt „Glück“ beinhaltet, werden bereits von den Lehrpersonen im Unterricht aufgegriffen. Was jedoch fehlt, ist ein festgelegter zeitlicher Rahmen, der für die Vermittlung dieser Inhalte vorgesehen ist. Wir integrieren „Glück“ zum Beispiel einmal wöchentlich im GGN- bzw. Religionsunterricht. Aber wie gesagt: Es läuft auch vieles fächerübergreifend. Und ja, tatsächlich könnte „Glück“ als Modell für ein ganzheitliches Bildungssystem dienen, das den Fokus nicht nur auf akademische Leistungen legt, sondern auch gezielt und verstärkt das Wohlbefinden und die persönliche Entwicklung der Kinder fördert.