Interview mit Barbara Pobitzer
„Allen Mitgliedern der Schulgemeinschaft mit Wertschätzung begegnen“
Als Schulinspektorin für die Oberstufe konnte Barbara Pobitzer unter anderem die Einführung des fächerübergreifenden Lernbereichs Gesellschaftliche Bildung und des internationalen Klassenzuges begleiten. Jetzt tritt sie in den Ruhestand. Im Interview mit INFO spricht sie über ihre Karriere, die Zukunft der wirtschaftlichen Bildung und die Bedeutung von KI im Unterricht.
INFO: Wie würden Sie Ihre berufliche Laufbahn als Schulinspektorin beschreiben? Was waren die wichtigsten Meilensteine Ihrer Karriere?
Barbara Pobitzer: Im Schuljahr 1985/86 habe ich mit dem Unterricht im Fach Betriebswirtschaftslehre an einer Oberschule begonnen. Ich war maßgeblich am Aufbau der Übungsfirmen in Südtirol beteiligt und war ab dem Schuljahr 2006/2007 zunächst Schulführungskraft an der Wirtschaftsfachoberschule WFO und der Technologischen Fachoberschule TFO in Schlanders tätig. Dort konnte ich in einer Schule mit einer überschaubaren Schülerinnen- und Schüleranzahl meine ersten Erfahrungen sammeln, die mir dann sehr hilfreich waren, als ich dieselbe Position im Schuljahr 2008/2009 in der WFO in Bozen mit einer weitaus größeren Anzahl an Schülerinnen und Schülern übernommen habe. Ich habe diese Schule elf Jahre lang geleitet, bis ich dann im Schuljahr 2019/2020 ins Schulinspektorat gewechselt bin. Bei all meinen Tätigkeiten habe ich wertvolle Erfahrungen sammeln können, die ich bei meinen Entscheidungen berücksichtigen konnte.
Worauf sind Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn besonders stolz?
Im Schulinspektorat ist es üblich, dass man im Team verschiedene Themenfelder bearbeitet. Zwei Themenfelder möchte ich hervorheben, weil ich dort die Projektverantwortliche war: 2020 war ich die Verantwortliche für die Erarbeitung der Rahmenrichtlinien für die Einführung des fächerübergreifenden Lernbereichs Gesellschaftliche Bildung. Dabei war ich für die Oberstufe zuständig, meine Kollegin Rosmarie Niedermair für die Unterstufe. Es war sehr wichtig, dass dieser Lernbereich gut eingeführt wird, weil Gesellschaftliche Bildung in der Schule einen wichtigen Lernbereich darstellt. Das heißt, dass sich Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich einüben, also Verantwortung übernehmen und sich mit unterschiedlichen Themen beschäftigen können. Gesellschaftliche Bildung soll ja einen Beitrag leisten, dass die Kinder zu mündigen und verantwortungsvollen Bürgerinnen und Bürgern werden, zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben befähigt werden und ihr eigenes Leben gelingend gestalten können.
Aus welchen Fächern setzt sich dieser Lernbereich zusammen?
Dieser fächerübergreifende Lernbereich setzt sich aus den Bereichen Persönlichkeit und Soziales, Kulturbewusstsein, Politik und Recht, Wirtschaft und Finanzen, Nachhaltigkeit, Gesundheit, Mobilität und Digitalisierung zusammen. Diese Bereiche sehen unterschiedliche kompetenzorientierte Bildungsziele vor, die in den einzelnen Schulstufen behandelt werden. Die Bearbeitung hängt dann von der jeweiligen Schulstufe ab. Mittlerweile hat sich die Gesellschaftliche Bildung an den Schulen gut etabliert.
Es freut mich, dass es auf Landesebene gelungen ist, die gesetzlichen, organisatorischen und fachlichen Voraussetzungen für den Start im September zu schaffen und dadurch das Bildungsangebot in Südtirol mit einem englischsprachigen Klassenzug erweitert wird.
Was ist der zweite Themenbereich, der Ihnen besonders wichtig war?
Das ist der internationale Klassenzug. Im Schuljahr 2024/25 wird der erste internationale Klassenzug am Realgymnasium in Bozen starten. Es freut mich, dass es auf Landesebene gelungen ist, die gesetzlichen, organisatorischen und fachlichen Voraussetzungen für den Start im September zu schaffen und dadurch das Bildungsangebot in Südtirol mit einem englischsprachigen Klassenzug erweitert wird. Außerdem war mir als Schulinspektorin die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern wichtig. Ich konnte dort die schulische Perspektive einbringen und gemeinsam konnten mehrere Projekte umgesetzt werden. Beispiele dafür sind die Zusammenarbeit mit dem Amt für Ausbildungs- und Berufsberatung der Abteilung Bildungsförderung für die Bildungsmesse Futurum und jene mit dem WIFO der Handelskammer Bozen für das Talentcenter.
Sie waren schwerpunktmäßig für die Oberstufe zuständig, besonders für die wirtschaftlichen Bereiche. Wie hat sich Ihrer Meinung nach die wirtschaftliche Ausbildung in den Oberschulen im Laufe der Jahre entwickelt?
Die Oberschulen haben sich in diesem Bereich sehr weiterentwickelt und sie stehen im Rahmen von Projekten und Expertenvorträgen im regelmäßigen Austausch mit der Wirtschaft. Natürlich hängt die Praxisorientierung vom jeweiligen Schultyp ab. Die Wirtschaftsfachoberschulen haben Übungsfirmen, die Technischen Fachoberschulen arbeiten im Auftrag von Betrieben an konkreten Projekten. Aber auch die Gymnasien haben sich der Arbeitswelt geöffnet und laden verschiedene Experten an die Schule ein. Sehr bedeutsam sind die Praktika, die in den Wirtschaftsoberschulen und in den Technischen Fachoberschulen verpflichtend und in den Gymnasien fakultativ sind. Bei meinen Besuchen in verschiedenen Prüfungskommissionen im Rahmen der staatlichen Abschlussprüfung konnte ist feststellen, dass diese für die Jugendlichen sehr wertvoll sind: Einige Schülerinnen und Schüler haben betont, wie wichtig die Praktika waren, weil sie dort Erfahrungen machen konnten, die ihnen bei der Berufswahl oder bei der Auswahl eines Studiums geholfen haben.
Wie haben sich Ihrer Meinung nach die Bedürfnisse und Anforderungen an Schülerinnen und Schüler im wirtschaftlichen Bereich verändert?
Man hört es von den Betrieben: Sie erwarten sich eine große Flexibilität, eine gute Integrations- und Teamfähigkeit, Durchhaltevermögen, aber auch solide Sprachkenntnisse sowohl in Deutsch als auch in Italienisch sowie Fremdsprachenkenntnisse. Dazu kommen noch Allgemeinwissen und ein fundiertes Fachwissen. Die Schülerinnen und Schüler sollen außerdem Kreativität mitbringen, kritisch und vor allem in Zusammenhängen denken können; das ist auch ein zentraler Eckpfeiler der schulischen Ausbildung geworden.
Aber auch die Lehrpersonen müssen sich in diesem Bereich weiterbilden, damit sie den Umgang mit KI lernen. Die Aufgabenstellung im Unterricht sollte aufgrund der zur Verfügung stehenden Technologie anders gestaltet werden.
Welche Trends und Entwicklungen im Bereich der wirtschaftlichen Bildung erwarten Sie in den nächsten Jahren?
Ein aktuelles Thema ist sicherlich die Künstliche Intelligenz (KI), die in aller Munde ist. Die KI bietet sowohl Lehrpersonen als auch Schülerinnen und Schülern unterschiedliche Möglichkeiten. Sie kann das Lernen unterstützen und Lernprozesse optimieren. Schülerinnen und Schüler können im Rahmen des digitalisierten Lernens Hilfestellungen erfahren. Die große Herausforderung ist, dass die Schule sich mit diesem Thema befasst und die Schülerinnen und Schüler die Chancen und Risiken kennenlernen. Sie müssen lernen, wie die KI sinnvoll eingesetzt werden kann, dafür brauchen sie Unterstützung. Aber auch die Lehrpersonen müssen sich in diesem Bereich weiterbilden, damit sie den Umgang mit KI lernen. Die Aufgabenstellung im Unterricht sollte aufgrund der zur Verfügung stehenden Technologie anders gestaltet werden.
Haben Sie einen Tipp oder einen Ratschlag für Ihren Nachfolger?
Mein Nachfolger steht schon fest, er bringt als Schulführungskraft schon Erfahrungen mit. Was ich ihm mitgeben kann, ist, dass im Schulinspektorat die Zusammenarbeit im Team und gute Absprachen untereinander sehr wichtig sind. Dies sind wesentliche Faktoren für ein gutes und effizientes Arbeitsklima.
Welche Momente oder Begegnungen werden Ihnen aus Ihrer Zeit als Schulinspektorin besonders in Erinnerung bleiben?
Nach meiner 13-jährigen Tätigkeit als Schulführungskraft musste ich mich erst einmal umorientieren. Ich war es gewohnt, Entscheidungen zu treffen, Richtungen vorzugeben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu führen, Verantwortung zu übernehmen. Diese Tätigkeiten sind bei der Arbeit in der Bildungsdirektion in den Hintergrund getreten. Meine Tätigkeit hier war mehr mit Konzeptarbeit verbunden, die Auseinandersetzung mit verschiedenen Thematiken, auch mit staatlichen, gesetzlichen Vorgaben. Es war mehr ein Zuarbeiten, wobei die definitiven Entscheidungen auf einer anderen Ebene getroffen wurden. Ich habe mich aber schnell eingearbeitet und es war für mich eine sehr interessante Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Von zentraler Bedeutung war für mich die Zusammenarbeit mit den anderen Schulinspektorinnen und Schulinspektoren, die sehr gut war. Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit der Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner, ich schätze ihren Führungsstil sehr.
Ich habe auch viele Lehrpersonen kennenlernen dürfen, denen der Werdegang der Schülerinnen und Schüler am Herzen liegt und die engagiert waren. Ich finde es deshalb wichtig, dass dieser herausfordernde Beruf eine entsprechende Wertschätzung erhält und einen guten Stellenwert in der Gesellschaft hat.
Welche Pläne haben Sie für Ihren Ruhestand? Werden Sie weiterhin in irgendeiner Form im Bildungsbereich aktiv sein, vielleicht als Beraterin oder Ehrenamtliche?
Zunächst einmal werde ich eine terminfreie Zeit genießen, ich werde meiner Familie und meinen Enkelkindern mehr Zeit widmen, ich möchte in Zukunft mehr reisen, in Europa, ich möchte Länder und Menschen kennenlernen. Und längerfristig kann ich mir auch vorstellen eine ehrenamtliche Tätigkeit im Bildungsbereich zu übernehmen.
Welche Botschaft möchten Sie den Schülerinnen und Schülern und Lehrpersonen, die Sie im Laufe der Jahre betreut haben, mit auf den Weg geben?
Als Schuldirektorin hat es mich immer gefreut, junge Menschen heranwachsen zu sehen. Sie sind als Teenager in die Oberstufe gekommen und haben als junge Erwachsene die Schule beendet. Diese Entwicklung zu begleiten und zu beobachten, hat mich immer gefreut. Bei den Abschlussfeiern war es mir wichtig, immer folgende Worte ans Herz zu legen: „Seid offen für neue Herausforderungen“, und ich habe ihnen gewünscht, dass sie in Zukunft im Sinne der Work-Life-Balance gut haushalten, dass sie Acht auf sich geben und den Weg finden, der sie zufrieden macht und erfüllt. Einige haben für das Studium das Land verlassen, da war es mir ein Anliegen zu betonen, dass Netzwerke wichtig sind, dass sie die Bindungen zu den Menschen, die es gut mit ihnen meinen, aufrechterhalten sollen.
Ich habe auch viele Lehrpersonen kennenlernen dürfen, denen der Werdegang der Schülerinnen und Schüler am Herzen liegt und die engagiert waren. Ich finde es deshalb wichtig, dass dieser herausfordernde Beruf eine entsprechende Wertschätzung erhält und einen guten Stellenwert in der Gesellschaft hat. Eine Investition in die Bildung ist auch eine Investition in die Zukunft. Es ist für mich bedeutend, dass Lehrpersonen sich ihrer Verantwortung bewusst sind, dass sie eine Vorbildfunktion haben, den Unterricht kompetenzorientiert gestalten und die Jugendlichen in ihrer Entwicklung fördern. Dabei ist es wesentlich, dass eine gute Kommunikation besteht und ein guter und wertschätzender Umgang mit den Jugendlichen stattfindet.
Gibt es eine Lebensweisheit oder ein Zitat, das Sie während Ihrer Karriere begleitet hat und das Sie gerne teilen möchten?
Es war mir selbst immer wichtig, meine unterschiedlichen Tätigkeiten mit Engagement und Gewissenhaftigkeit auszuüben, transparent und effizient zu handeln und allen Mitgliedern der Schulgemeinschaft mit Wertschätzung zu begegnen. Das ist die Basis für eine konstruktive Zusammenarbeit. Jeder verdient Anerkennung, das war das Motto, das mich während meiner gesamten Schulkarriere begleitet hat.