Lernen mit digitalen Medien – Interview
„Es braucht mehr als das digitale Medium an sich“
Fernunterricht und digitale Bildung sind seit dem Lockdown im vergangenen Frühjahr thematische Dauerbrenner. Wie lassen sich mit ihnen bestmögliche Ergebnisse erzielen? Ivan Stuppner* ist überzeugt, dass es für einen erfolgreichen digitalen Unterricht mehr als Computer, Smartphone und Tablet braucht.
Herr Stuppner, mit welchen Themen befassen Sie sich in Ihrem Arbeitsbereich?
Ivan Stuppner: Es geht mir vor allem darum, Schulen beim Umsetzen des digitalen Lernens bestmöglich zu unterstützen. Mein Arbeitsschwerpunkt ist also ab diesem Kindergarten und Schuljahr die digitale Bildung, und zwar im Rahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung. Gemeinsam mit den Schulen möchte ich Konzepte entwickeln, damit sie den besten Nutzen daraus ziehen können. Es reicht nämlich nicht, das, was man im klassischen Präsenzunterricht macht, eins zu eins auf das Lernen mit digitalen Medien zu übertragen. Nicht nur die Technik, sondern auch viele andere Aspekte spielen dabei eine Rolle – wie etwa die didaktische Umsetzung oder Formen des Feedbacks. Das und vieles mehr sollte berücksichtigt werden, wenn man digitalen Unterricht plant.
In den vergangenen Monaten haben sich Bildungsexpertinnen und -experten intensiv mit dem digitalen Unterricht und dem digitalen Lernen befasst. Was hat sich seit Beginn des Fernunterrichts geändert?
Viele im Bildungskontext tätige Menschen haben sich schon seit einigen Jahren mit dem Lernen mit digitalen Medien auseinandergesetzt und sich darin Kompetenzen angeeignet. Für manch andere die plötzliche Umstellung auf den Fernunterricht etwas gänzlich Neues. Sehr viele haben sich gut auf diese Umstellung eingelassen. Dabei sind etliche schöne und interessante Entwicklungen in der Schule und im Unterricht zu erkennen gewesen. Sicherlich war man am Anfang des Fernunterrichts noch stark in einer Phase des Experimentierens, jetzt sind wir dabei, einen Schritt weiterzugehen. Nun gilt es, den Fokus von der technischen auf die didaktische Entwicklung zu legen. Das digitale Medium ist didaktisch bestmöglich einzusetzen – dafür braucht es mehr als das Medium an sich. Es soll nun möglichst zielführend genutzt werden – dafür ist die Zeit jetzt reif, auch weil durch den Fernunterricht eine Öffnung in der Haltung zum digitalen Lernen spürbar ist.
Wo sind Fortschritte sichtbar?
Beim digitalen Lernen geht es um Distribution von Wissen, um Interaktion und um Kollaboration. In der Anfangsphase des Fernunterrichts wurde vieles im Bereich der Distribution unternommen, das heißt, es wurden zum Beispiel Arbeitsaufträge verschickt und abgelegt – vergleichbar mit dem Zettelausteilen im analogen Unterricht. Dem Aspekt der Interaktion und der Kollaboration der Schülerinnen und Schüler, die im digitalen Lernen genauso wichtig sind, ist man dann erst langsam gerecht geworden. Die drei Bereiche Distribution, Interaktion und Kollaboration sollten beim digitalen Lernen aber idealerweise im ausgewogenen Maße vorkommen. Das Ziel ist dann, jeweils die besten Möglichkeiten zu finden – sowohl für das Lernen mit digitalen Medien als auch für das Lernen ohne digitale Unterstützung – es braucht beide.
Wohin soll sich das digitale Lernen entwickeln?
Das digitale Lernen soll ein integrierter Bestandteil des Unterrichts werden – und zwar in der Form, wie es bestmöglich und altersgerecht eingesetzt werden kann. Damit einher gehen das kompetenzorientierte und selbstorganisierte Lernen – das sind wichtige Aspekte eines zukunftsorientierten Unterrichts. Mit digitalen Medien sind sie sehr gut umsetzbar.
Ivan Stuppner ist seit 1. September 2020 für den Bereich „Lernen mit digitalen Medien“ im Referat Kindergarten- und Schulentwicklung der Pädagogischen Abteilung in der Deutschen Bildungsdirektion zuständig.