Interview mit Klaus Niederstätter

„Externe Evaluation als Chance sehen“

Donnerstag, 27.3.2025

Die Landesevaluationsstelle wird oft als reines Kontrollorgan wahrgenommen. Klaus Niederstätter, ihr neuer Leiter, will dieses Image verändern. Im Interview mit INFO spricht er über seine Vision, neue Methoden und die Herausforderungen der Bildungslandschaft.

Klaus Niederstätter bringt eine vielseitige berufliche Erfahrung in seine neue Position als Leiter der Landesevaluationsstelle mit. Nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Innsbruck und Bologna mit Fokus auf Projektmanagement und Personalwesen sammelte er zunächst Berufserfahrung in diesen Bereichen. Später unterrichtete er an verschiedenen Schulsprengeln in den Fachbereichen Mathematik und Naturwissenschaften. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagierte sich Klaus Niederstätter viele Jahre ehrenamtlich für einen Kulturverein und führte diesen als Präsident durch die COVID-19-Pandemie. Zusätzliche Qualifikationen, darunter ein Masterlehrgang für spezifische Lernstörungen, eine universitäre Spezialisierung im Bereich Evaluation und eine Ausbildung zum systemischen Coach, vertieften sein Fachwissen. Nach mehreren Jahren Erfahrung in der Landesevaluationsstelle übernahm er 2016 die Position des stellvertretenden Leiters und führt die Einrichtung seit September 2024 nun als deren Leiter.

INFO: Herr Niederstätter, Sie sind der neue Leiter der Landesevaluationsstelle. Welche Vision haben Sie für diese Einrichtung?

Klaus Niederstätter: Die Landesevaluationsstelle hat sich im Laufe der Jahre kontinuierlich weiterentwickelt. Meine Vision – und wir können hier auf gute Vorarbeit der vergangenen Jahre bauen – ist die Etablierung eines externen Evaluationsverfahrens sowie eines Monitoringsystems, die als wertvolle Instrumente für Organisations-, Schul- und Unterrichtsentwicklung wahrgenommen werden. Die von uns erhobenen und zur Verfügung gestellten Daten sollen über die Schuldirektionen hinaus auch auf Systemebene dazu beitragen, Entwicklungen in der Bildung gut im Blick zu haben und als Entscheidungsgrundlage dienen. Ein weiterer Punkt, den es zu realisieren gilt, ist die Implementierung der externen Evaluation in den Kindergärten des Landes.

Die Landesevaluationsstelle wird oft als Kontrollorgan für Schulen und Kindergärten wahrgenommen. Wie wollen Sie dieses Image verändern?

Bis zu einem gewissen Grad ist diese Wahrnehmung durchaus berechtigt, denn eine zentrale Funktion der externen Evaluation besteht tatsächlich in der Rechenschaftslegung – gewissermaßen als Preis für die Autonomie der Schule. Gleichzeitig ist es uns ein zentrales Anliegen, den Schulen datenbasierte Erkenntnisse bereitzustellen, die sie in ihrer Schul- und Unterrichtsentwicklung gezielt unterstützen. Darauf weisen wir in den Rückmeldungen an die Lehrerkollegien bzw. in den Gesprächen mit den Schulführungskräften auch immer wieder hin. Außerdem legen wir in unseren Begegnungen mit den Schulgemeinschaften großen Wert auf eine offene und wertschätzende Kommunikation, wodurch Vorbehalte vonseiten der Schulen oftmals abgebaut werden können. Wir versuchen gemeinsam die Perspektive zu erweitern, sodass in der externen Evaluation eher eine Chance als eine Kontrolle gesehen wird.

Gibt es neue Ansätze oder Methoden, mit denen Sie die Evaluationsprozesse weiterentwickeln möchten?

Wir reflektieren unsere Arbeit kontinuierlich und entwickeln sie gezielt weiter. Neben regelmäßigen Fort- und Weiterbildungen holen wir systematisch Feedback von Lehrpersonen und Schulführungskräften der evaluierten Schulen ein. Viele der rückgemeldeten Aspekte haben wir im Laufe der Jahre in unser Verfahren integriert. Derzeit liegt unser Fokus auf der adressatengerechten Berichterstattung und Kommunikation. Die Evaluationsberichte an die Schulen sollen leicht verständlich und intuitiv erfassbar sein. In den Rückmeldungen an die Lehrerkollegien streben wir eine ausgewogene Balance zwischen Informationsdichte und Umfang an – nach dem Motto: „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“. Unser Ziel ist es, die Neugier auf die Ergebnisdaten zu wecken, sachlich und verständlich zu informieren und die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen zusammen mit der Schulleitung in die gesamte Schulgemeinschaft zu tragen.

Wie können Schulen Evaluationsergebnisse nutzen, um ihre Qualität zu verbessern?

Die externe Evaluation liefert umfassende Daten, die in dieser Tiefe im Rahmen der schulinternen Evaluation weder erforderlich noch leistbar wären. Sie ermöglicht eine Betrachtung der eigenen Schule mit einem gewissen Abstand – gewissermaßen aus der Vogelperspektive. Neben aktuellen Befragungsdaten bieten wir mittlerweile einen Längsschnittvergleich mit den Ergebnissen früherer externer Evaluationen sowie mit den landesweiten Durchschnittswerten. So wird ersichtlich, wie sich die Einschätzungen der Schulgemeinschaft über die Zeit hinweg entwickelt haben, wie die Befragungsergebnisse an der eigenen Schule im Vergleich zu den Schulen derselben Schulstufe ausfallen und wo Zufriedenheit, Konsens oder Entwicklungsbedarf besteht. Anhand der qualitativen Daten, wie etwa den Interviews, können Tendenzen in der Verteilung der quantitativen Ergebnisse vertieft beleuchtet werden. Um spezifische Aspekte – etwa an einzelnen Schulstandorten oder in bestimmten Klassen – im Detail zu analysieren, kann die Schule ihre interne Evaluation gezielt auf diese Themen ausrichten.

Gibt es Beispiele, wo aufgrund der externen Evaluation Veränderungsprozesse angestoßen wurden?

Ja, es gibt zahlreiche Beispiele, in denen die externe Evaluation Impulse für eine vertiefte Auseinandersetzung mit bestimmten Themen gegeben und konkrete Maßnahmen vor Ort angestoßen hat. Exemplarisch lassen sich die Überarbeitung der Schulcurricula, die Neugestaltung des Pausenhofs, die gezielte Förderung des Mathematikunterrichts oder der Inklusion, Vereinbarungen zur Durchführung von Lernzielkontrollen, die Reflexion über Regelkonformität oder die Initiierung von Mediationsprozessen nennen – um nur einige zu erwähnen.

Wie stellen Sie sicher, dass Evaluation nicht als bürokratische Belastung, sondern als Chance wahrgenommen wird?

Wie bereits erwähnt, sehen wir in der Kommunikation und in der Vermittlung von Evaluationsergebnissen zentrale Erfolgsfaktoren. Eine klare, verständliche und praxisnahe Aufbereitung der Ergebnisse ist entscheidend. Zudem legen wir großen Wert darauf, den Aufwand für die extern evaluierten Schulen so gering wie möglich zu halten. Zwar müssen im Vorfeld einige Dokumente bereitgestellt werden, wovon hauptsächlich die Schulführungskräfte und das Verwaltungspersonal betroffen sind, für die einzelne Lehrperson bleibt der zeitliche Aufwand hingegen minimal. Außerdem findet ein externer Evaluationsprozess nur etwa alle sechs bis sieben Jahre an einer Schule statt. Datenbasierte Rückmeldungen der befragten Schulgemeinschaften bestätigen, dass der Großteil der Lehrkräfte dem externen Evaluationsprozess durchaus aufgeschlossen und interessiert begegnet. Darüber hinaus spielt die Schulführungskraft eine wesentliche Rolle dabei, inwieweit die externe, aber auch die schulinterne Evaluation als wertvolles Instrument für Qualitätsentwicklung an der Schule wahrgenommen und genutzt wird.

Schulen sind komplexe Organisationen, in denen zahlreiche Faktoren ineinandergreifen.

Gibt es einen bestimmten Bereich, in dem Sie den größten Entwicklungsbedarf sehen?

Schulen sind komplexe Organisationen, in denen zahlreiche Faktoren ineinandergreifen. Man könnte sagen, sie sind so vielfältig wie ihre Schülerschaft. Jede Schule unterscheidet sich zum Teil in vielerlei Hinsicht von anderen. Von der geographischen Verortung, über strukturelle Gegebenheiten bis hin zu den handelnden Personen oder den individuellen Klassensituationen. Demzufolge ergeben sich für die verschiedenen Schulen auch unterschiedliche Ansatzpunkte und es ist schwierig, einen allgemein gültigen Bereich zu benennen. Ich würde eher von Herausforderungen sprechen, vor denen die Schulen gleichermaßen stehen.

Wo sehen sie derzeit die größten Herausforderungen für die Schulen?

Sicherlich im gesellschaftlichen und strukturellen Wandel sowie in der Digitalisierung, darin besteht Konsens. Wie können wir der sprachlichen Vielfalt begegnen? Welches Maß an Digitalisierung ist zielführend und wie gehen wir mit KI um? Welchen Beitrag zur Entwicklung der Kinder und Jugendlichen können und sollten die Eltern leisten? Was entspricht einer angemessenen Entlohnung und wie können wir dem Personalmangel entgegenwirken? Das sind nur einige Fragestellungen, mit denen sich die unter einem hohen Druck stehende Bildungswelt auf allen Ebenen beschäftigt. Bildung darf aus meiner Sicht nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss als gemeinschaftliche Aufgabe verstanden werden. Letztlich braucht es ein gemeinsames Engagement von Gesellschaft, Schule, Politik und Wirtschaft, um tragfähige Lösungen zu finden. Nur wenn wir Bildung als zentrale Investition in die Zukunft begreifen und entsprechend handeln, können wir den aktuellen Herausforderungen nachhaltig begegnen und ein leistungsfähiges, chancengerechtes Bildungssystem sichern.

INFO Redaktion

Interview mit Klaus Niederstätter

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Donnerstag, 27.3.2025

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