Vorurteilsbewusste Bildung
Gemeinsam stark: Chancengleichheit im Kindergarten
Der Leitsatz der Vorurteilsbewussten Bildung lautet „Alle Kinder sind gleich, jedes Kind ist besonders“. In ihren Rechten sind alle Kinder gleich, mit seiner Individualität und Persönlichkeit ist jedes Kind besonders. Bei einer Fortbildung haben sich pädagogische Fachkräfte intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Kursleiterin Birgit Pardatscher berichtet.
Bildungseinrichtungen leisten einen wichtigen pädagogischen Auftrag in Bezug auf Chancengerechtigkeit. Es macht einen Unterschied, ob ein Kind in finanziell gesicherten oder ungesicherten Verhältnissen aufwächst, welche Hautfarbe das Kind hat, welche Sprache es zu Hause spricht usw. Kindergärten sind keine Schonräume. Die gesellschaftlichen Verhältnisse machen vor der Tür des Kindergartens nicht halt. Es ist wichtig, dass pädagogische Fachkräfte sich dieser Unterschiedlichkeiten bewusst sind und aktiv werden.
Am Samstag, den 11. November 2023 fand in der Fortbildungsakademie Rechtenthal in Tramin der Abschluss der Kursfolge K11.vb Vorurteilsbewusste Bildung im Kindergarten statt. Der Kurs wurde von der Pädagogischen Abteilung der Deutschen Bildungsdirektion organisiert. INFO hat berichtet.
Im Rahmen dieser Kursfolge haben sich die Teilnehmenden im Laufe des letzten Jahres intensiv mit den Themen der Vorurteilsbewussten Bildung auseinandergesetzt.
Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung haben die Teilnehmenden in 7 Lerngemeinschaften vorgestellt:
Die Sonne im Norden
Verena Aschbacher und Charlotte Schwarz ließen sich vom Buch „Der Junge mit dem Fisch, Alltagsgeschichten einer multikulturellen Schule“ von Marianne Zaccaria und Fabio Biasio inspirieren und haben Geschichten aus ihrem Alltag gesammelt, die für sie lehrreiche Erfahrungen in Bezug auf ihre eigenen Vorurteile beinhalten. Diese Geschichtensammlung mit dem Titel „Die Sonne im Norden“ stellen sie Kolleginnen und Interessierten zur Verfügung und regen damit zum Nach- und Weiterdenken an.
Auszug aus dem Dokument: Filmclub von Verena Aschbacher
Toll, ein Film aus dem Kosovo im Filmclub! Begeistert nehme ich den Flyer mit in den Eltern-Deutschkurs und rühre die Werbetrommel: „Kommt doch am Donnerstag, der Film ist in Albanisch mit deutschen Untertiteln!“ Der Film wird ihnen gefallen, da bin ich mir sicher. Es geht um Frauen, die selbst eine Firma aufbauen, nachdem sie ihre Männer im Krieg verloren haben. Elona sagt sofort zu, sie werde auf jeden Fall kommen. Ihre Freundin Jeta schüttelt den Kopf. Ich ermutige Jeta zu kommen. So eine Gelegenheit wird so bald nicht wieder kommen. Doch sie schüttelt immer noch den Kopf. Die beiden Frauen unterhalten sich auf Albanisch. Elona erklärt mir, Jeta werde nicht kommen.
– „Schade.“
– „Odas Vater ist im Krieg gestorben.“
Erst jetzt sehe ich Jeta wirklich an. In meiner Begeisterung über den Film hatte ich nicht weiter über die Familien der Frauen nachgedacht. Oda hat Tränen in den Augen.
Bilderbuch: Nilos Reise zum Glück
Sylvia Huber, Jasmin Markart, Martina Pichler und Inge Tröbinger haben sich die Frage gestellt, wie sie Vorurteilsbewusste Bildung erfolgreich in die Praxis einer Kindergartengruppe integrieren können. Nach intensivem Austausch entstand die Idee, ein Bilderbuch mit Text und Illustrationen zum Thema Vorurteilsbewusste Bildung zu gestalten, um das Thema in einer einfach verständlichen Form den Kindern nahezubringen. Diese Geschichte dient als Anregung für Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Die Inhalte werden auf das alltägliche Leben übertragen, wobei die Hauptfiguren der Schmetterling Nilo und die Eule Vedana sind. NILO steht altgriechisch für „Schmetterling“. VEDANA altrussisch für „die Wissende“. Tiere dienen als Sinnbild für lebensnahe Themen, die die Kinder ansprechen und verstehen können. Die Bilder wurden von verschiedenen Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts gestaltet.
Die Geschichte kann als pädagogisches Werkzeug genutzt werden, um die Kinder für Vorurteile zu sensibilisieren und zum Nachdenken anzuregen. Das Bilderbuch ermöglicht es, das abstrakte Thema der Vorurteile auf eine greifbare und zugängliche Weise zu behandeln, sodass die Kinder eine Verbindung zu ihren eigenen Erfahrungen und Emotionen herstellen können.
I send you a message
Christiane Dibiasi, Barbara Gstrein und Andrea Tribus möchten mit ihrer Abschlussarbeit die Kerngedanken der Vorurteilsbewussten Bildung an möglichst viele Menschen in und auch außerhalb des Kindergartens herantragen.
Dazu haben sie sechs Postkarten designt, die die Themen Chancengleichheit, Bildungsgerechtigkeit und Vielfalt aufgreifen. Die vielfältigen Karten sollen zum Nachdenken anregen und im Sinne der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung dazu einladen, neue Perspektiven zu öffnen.
Schritt für Schritt zur Vorurteilsbewussten Bildung
Johanna Graf, Franziska Ohnewein und Anna Uhl haben ein Methodenpaket zusammengestellt, das den Multiplikatoren/-innen für die Vorurteilsbewusste Bildung zur Verfügung gestellt wird. Es soll ein Arbeitsinstrument sein, um den Ansatz der Vorurteilsbewussten Bildung in den Kindergartenteams zu erarbeiten und in der Praxis umzusetzen.
Wie mich andere sehen – Vorurteile und Zuschreibungen
Annette D’Angelo, Julia Frenademetz, Nadia Tripodi und Katharina Tumpfer haben sich mit Zuschreibungen auseinandergesetzt und dafür zahlreiche Interviews geführt. Zuschreibungen erschaffen ein Bild eines Menschen in unseren Köpfen und engen dadurch ein.
Man meint zu wissen, wie jemand ist und versucht Schlüsse zu ziehen aus Verhaltensweisen, äußeren Merkmalen, Sprache, Herkunft, Geschlecht, Sexualität eines Menschen. Zuschreibungen lassen allerdings keine Schattierungen zu, es gibt nur schwarz oder weiß. Sie können aus dem Kontext gerissen sein und nicht einmal zutreffen, oder aber zeigen kein ganzheitliches Bild einer Person. Im Laufe der Arbeit wurde der Gruppe bewusst, dass auch sie sich bei der Wahl der Interviewpartner/-innen von Zuschreibungen und Vorurteilen leiten ließen. Sie reflektierten diese Erfahrungen gemeinsam und lernten dadurch viel über sich selbst.
Adultismus! Adult…was?
Sonja Ellemunt und Brigitte Lusser setzten sich intensiv mit dem Thema Adultismus auseinander und verarbeiteten ihre Erkenntnisse in Form eines Erklärvideos.
Eine fast wahre Geschichte…
Roswitha Abart, Karin Gemassmer, Simone Karner und Miriam Niederegger haben festgestellt, dass die intensive Auseinandersetzung mit vielen Inhalten rund um das Thema Vorurteile etwas mit ihnen und ihrem Denken gemacht hat. Sie wollten allerdings nicht nur denken, sondern auch handeln. Auf humorvolle Weise haben sie in Form eines Filmes zum Ausdruck gebracht, dass sie nun sensibler zuhören, bewusster handeln und auch den Mut aufbringen wollen, Stellung zu beziehen. Durch die Superheldenrolle wollten sie überspitzt sagen, dass sie durch das im Kurs Erlernte neue Superkräfte erworben haben und etwas tun wollen, um die Welt zu retten. Sie stellen fest, dass es sehr viele Herausforderungen gibt und ein Gefühl von Ohnmacht ist spürbar. Doch dann merken sie, dass eine Veränderung eintritt. Es tut sich etwas.
Fazit: Sie können vielleicht nicht die Welt retten, aber sie können mit dem eigenen Denken und Handeln durchaus Positives bewirken!