Interview mit Monika Ploner
„Schulentwicklung ist kein Fast Food“
Monika Ploner ist seit diesem Schuljahr Schulinspektorin für die Unterstufe in Südtirol. Sie will Sprachförderung und gesellschaftliche Bildung stärken, Lehrkräfte entlasten und die Schulstufen enger vernetzen. Im Interview mit INFO spricht sie über ihren Werdegang, Herausforderungen und Ziele.
Mit einem reichen Erfahrungsschatz aus ihrer langjährigen Tätigkeit als Lehrerin und Direktorin bringt Monika Ploner eine vielseitige Perspektive in ihre neue Funktion als Schulinspektorin der Unterstufe ein.
Mit ihrer neuen Position verbindet sie das Ziel, an neuen Strukturen mitzuarbeiten, die eine qualitativ hochwertige und zukunftsorientierte Bildung ermöglichen. Dabei setzt sie auf Netzwerkarbeit, wissenschaftlich fundierte Konzepte und eine enge Zusammenarbeit mit Lehrpersonen. Warum ihr insbesondere Sprachförderung, gesellschaftliche Bildung und flexible Lernzeiten am Herzen liegen, erläutert sie im folgenden Gespräch mit INFO.
INFO: Wie verlief Ihr beruflicher Weg bis zu Ihrer Ernennung als Schulinspektorin für die Unterstufe in Südtirol?
Monika Ploner: Mein Weg begann als Grundschullehrerin in verschiedenen Orten im Eisacktal, später unterrichtete ich an der Grundschule Klausen, wo ich sowohl Klassenlehrerin als auch Integrationslehrerin war. Ich übernahm verschiedene koordinierende Aufgaben, unter anderem als Koordinatorin für Integration, Schulstellenleiterin und schließlich als Vizedirektorin. Ein großes Anliegen war mir immer, nahe an den Schülerinnen und Schülern zu sein und an den Rahmenbedingungen mitzuarbeiten, um guten Unterricht zu ermöglichen. 2018 habe ich den Direktorenwettbewerb absolviert und anschließend sechs Jahre lang den Grundschulsprengel Neumarkt geleitet. Außerdem war ich auch ein Jahr lang für den Sprengel Auer zuständig.
Mir hat die Arbeit dort sehr gefallen, vor allem, weil ich eine klare Trennung zwischen Beruf und Privatleben hatte, weil ich ja im Eisacktal lebe. Ich sehe mich ein bisschen als „Missionarin“ – ich nehme Herausforderungen gerne an, auch wenn sie zunächst unmöglich erscheinen. Eigentlich hatte ich nicht geplant, den Beruf zu wechseln, und als das Angebot zur Schulinspektorin kam, habe ich lange überlegt. Besonders schwer fiel es mir, meine Arbeit im Unterland aufzugeben, da ich dort sehr gut vernetzt war und viel erreicht habe. Doch ich bin ein Mensch, der Herausforderungen mag. Im Inspektorat kann ich nun an zentraler Stelle mitwirken und helfen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrern zugutekommen.
Welche ersten Erfahrungen haben Sie seit Schulbeginn in Ihrer neuen Position gemacht?
Der Einstieg war anders und ruhiger, nicht wie bei einer neuen Direktion oder Lehrtätigkeit. Der Rhythmus ist ein anderer, aber es gibt viele Themen, die mich erfüllen. Als Direktorin trifft man ständig Entscheidungen, während ich in meiner jetzigen Rolle mehr im Hintergrund arbeite, was mir erlaubt, Dinge in ihrer Tiefe zu durchdenken. Ich genieße die Teamarbeit sehr. Wir Inspektorinnen und Inspektoren arbeiten in kleinen Gruppen zu verschiedenen Themen, was das Klima angenehm macht. Besonders gefällt mir der Kontakt mit Direktorinnen und Direktoren – das ermöglicht mir Unterrichtsbesuche, die ich sehr schätze. Ich gewinne wertvolle Einblicke in unterschiedliche Schulstrukturen und bin im engen Austausch mit ihnen und ihren Lehrkräften. Unsere Arbeit ist beratend und unterstützend ausgerichtet.
Was sehen Sie als die größten Herausforderungen für die Unterstufe in Südtirol? Eine der größten Herausforderungen ist eine gelingende Alphabetisierung, insbesondere für Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache haben. Es geht darum, nicht nur einzelne Kinder zu fördern, sondern funktionierende Konzepte für alle zu entwickeln. Der gute Unterricht in der inklusiven Schule sollte Standard werden, das heißt, wir müssen viel mehr auch die Begabungen und Talente in den Fokus nehmen und nicht immer nur von den Schwierigkeiten und Defiziten ausgehen. Das Thema Lesen ist mir besonders wichtig. Zudem sollten wir von starren Lernzeiten wegkommen und flexiblere Modelle erproben. Die Grundschule ist oft jene Schulstufe, die von Neuerungen überrollt wird – ich denke nur an die Änderungen im Bewertungssystem. Ich habe jedoch das Gefühl, dass die Lehrpersonen sehr gut damit umgehen.
Welche langfristigen Ziele möchten Sie in Ihrer Funktion erreichen?
Ich möchte insbesondere helfen, das Sprachkonzept weiterzuentwickeln, angefangen bei der Alphabetisierung bis hin zu einem stufenübergreifenden Ansatz, der vom Kindergarten bis zur Oberschule reicht. Es geht mir darum, Kooperationen zu stärken und wissenschaftliche Begleitung sicherzustellen. Veränderungen sollten nachhaltig sein und nicht überstürzt erfolgen. Die wichtigste Frage bleibt: Wie profitieren die Schülerinnen und Schüler davon? Gleichzeitig möchte ich die Lehrpersonen entlasten, indem wir gut durchdachte Konzepte entwickeln. Ich sehe mich hier als Visionärin – man muss das Unmögliche wollen, um Fortschritte zu erzielen.
Grundkompetenzen im sozialen Bereich und die Vorbereitung auf das alltägliche Leben müssen stärker in den Fokus rücken.
Gibt es spezielle Bereiche, die Sie besonders fördern oder weiterentwickeln möchten, wie zum Beispiel Digitalisierung, Inklusion oder Sprachkompetenzen? Neben den bereits genannten Schwerpunkten ist mir die gesellschaftliche Bildung ein wichtiges Anliegen. Sie sollte für alle Lehrpersonen eine Selbstverständlichkeit werden. Grundkompetenzen im sozialen Bereich und die Vorbereitung auf das alltägliche Leben müssen stärker in den Fokus rücken. Der Umgangston ist in den letzten Jahren rauer geworden – Schulen sollten Werkzeuge bieten, damit Schülerinnen und Schüler lernen, gut miteinander zu leben. Ich arbeite daher mit verschiedenen Partnern zusammen, vom Forum Prävention bis hin zu Musikschulen, um Synergien zu schaffen.
Welche Rolle spielen die kulturellen und sprachlichen Besonderheiten Südtirols in Ihrer Arbeit?
Eine sehr große. Das DEMEK-Konzept (Deutsch in mehrsprachigen Klassen) ist für Südtirol anzupassen, weil die Anforderungen hier anders und zum Teil größer als in Deutschland sind. Gleichzeitig ist Mehrsprachigkeit eine große Chance. Ich hoffe, dass wir im Herbst mit dem neuen Sprachkonzept an einzelnen Pilotschulen starten können. Ein Modell, das mich inspiriert, ist das Hamburger Leseband: Alle Klassen lesen täglich 15 Minuten laut, mit verschiedenen Methoden und wissenschaftlicher Begleitung. In abgelegenen Gebieten wie dem Obervinschgau oder Passeier könnte dies auch in der Zweitsprache erfolgen, um diese zu stärken.
Welche Lehren wurden Ihrer Meinung nach aus der Pandemie für die Schulbildung in Südtirol gezogen und wie wollen Sie darauf aufbauen?
Ein großer Gewinn war das selbstorganisierte Lernen. Einige Schulen haben diesen Ansatz weiterverfolgt, andere weniger. Ich halte es für essenziell, dass Schülerinnen und Schüler weiterhin eigenverantwortlich arbeiten.
Ich stehe jeden Tag mit Begeisterung auf und brenne für meinen Beruf.
Was motiviert Sie besonders in Ihrer Arbeit als Schulinspektorin?
Ich war gerne Lehrerin, Direktorin – und jetzt bin ich gerne Schulinspektorin. Ich stehe jeden Tag mit Begeisterung auf und brenne für meinen Beruf. Jede neue Rolle bringt neue Herausforderungen und genau das gefällt mir.
Wo sehen Sie die Unterstufe in Südtirol in fünf Jahren?
Fünf Jahre sind vielleicht zu kurz gegriffen – in zehn Jahren hoffe ich, dass wir starre Strukturen aufgebrochen haben, hin zu mehr selbstorganisiertem und selbstwirksamen Lernen. Schulentwicklung ist kein Fast Food, sondern eher ein Vollkornbrot – es ist sehr gehaltvoll, braucht Zeit und muss gut verdaut werden.